Interview zum Megatrend Automatisierung

Automatisierung: Was spricht dafür? Wie setzt man es um?

Für viele große Unternehmen ist Automatisierung längst Alltag. Doch auch kleinere Betriebe können von der wachsenden Bandbreite an unkomplizierten Automatisierungsoptionen profitieren. In Kombination mit lösungsorientiertem Denken geht die Rechnung auch finanziell fast immer auf – sagt Tilman Basten, Head of Solution Management bei Linde MH, im Interview.

Herr Basten, folgendes Szenario: Sie sind auf einer Logistikveranstaltung und stehen im Aufzug neben dem Geschäftsführer eines mittelständischen Maschinenbauers mit vielleicht 15 Beschäftigten. Wie überzeugen Sie ihn bis zum Ausstieg davon, dass genau jetzt der perfekte Zeitpunkt ist, in die Automatisierung zu starten?

Tilman Basten: Nun ja, ich bin kein Vertriebler (lacht), aber bei so einem Elevator Pitch hätte ich das erste Argument schon in dem Moment an der Hand, wenn der Geschäftsführer über den Fachkräftemangel klagt. Dieser lässt sich in kleinen und mittleren Unternehmen bekanntermaßen noch schwieriger abfedern als in großen Konzernen. Das wäre dann die Basis für das zweite Argument: Denn inzwischen bieten wir wirklich sehr einfach zu implementierende Automatisierungslösungen, mit deren Hilfe auch kleinere Betriebe sich wiederholende Transportprozesse sehr effizient gestalten können. Wenn auch das nicht überzeugt, gibt es immer noch das Kostenargument. Automatisierung rechnet sich finanziell fast immer.

Lässt sich das wirklich so pauschal sagen? Bringt Automatisierung „automatisch“ Kostenvorteile mit sich?

Tilman Basten: Absolut. Die Frage ist nur, nach welcher Zeit. Bei größeren Projekten mit vielen Fahrzeugen und komplexen Anbindungen wird es ein paar Jahre dauern, bis sich die Anschaffungskosten amortisiert haben. Doch ganz gleich, ob man ein Gerät hat oder zehn: Ab einem gewissen Zeitpunkt spart man. Und das nicht nur einmal, sondern kontinuierlich, Jahr für Jahr, solange das fahrerlose Transportfahrzeug verwendet wird. Hinzu kommt, dass automatisierte Fahrzeuge im Gegensatz zu manuell betriebenen weniger verschleißen – zum Beispiel, weil ihre Einsätze viel geregelter ablaufen. Entsprechend sind auch die Servicekosten niedriger.

Mit dem Linde L-MATIC C steht aktuell ein preislich wie technisch attraktives Fahrzeug in den Startlöchern. Wer dieses Jahr auf der LogiMAT zu Gast war oder die Berichterstattung verfolgte, wird sich an die Menschentrauben um die Studie herum erinnern …

Tilman Basten: Der Linde L-MATIC C ist ein perfektes Beispiel dafür, wie wir Automatisierung einem noch breiteren Kundenkreis zugänglich machen. Das liegt einerseits an seinen ultrakompakten Abmessungen, die selbst Einsätze in engen Lagerumgebungen erlauben – solch beengte Platzverhältnisse findet man eher bei historisch gewachsenen Mittelstandsbetrieben. Zugleich lässt sich das Gerät dank einer neuen Software sehr einfach und zügig in Betrieb nehmen. Wenn ich also beispielsweise einen Prozess habe, in dem eine Person täglich acht Stunden lang palettierte Ware von einem Punkt zum anderen bringt, kann der Linde L-MATIC C definitiv eine Überlegung wert sein.

Wann können wir denn mit dem Linde L-MATIC C rechnen?

Tilman Basten: Unser Ziel ist es, den Linde L-MATIC C spätestens ab Februar 2025 anzubieten.

Gehen wir etwas mehr ins Detail: Welche Transportprozesse lassen sich denn überhaupt automatisieren?

Tilman Basten: Prinzipiell alle Vorgänge, die indoor stattfinden und bei denen Paletten oder vergleichbare Ladungsträger wie Gitterboxen zum Einsatz kommen. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, geht so gut wie alles: Boden-zu-Boden-Transporte, Ein- und Auslagern in mittleren Höhen, Warenbewegungen in Breitgang- und Hochregallagern … Wichtig ist immer: Zu Beginn muss in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob Automatisierung tatsächlich der richtige Weg ist – oder ob es bessere Optionen für diese Anwendung gibt.

Heißt das, dass Sie Kundenunternehmen auch von Automatisierung abraten?

Tilman Basten: Das kommt tatsächlich vor. Wir denken immer im Interesse des Kundenunternehmens. Möglicherweise bringt es nichts, ein manuelles Gerät einfach 1:1 durch ein automatisiertes zu ersetzen. Stattdessen geht es um ganzheitliche Lösungen, um den Blick auch auf die vor- und nachgelagerten Prozesse, auf individuelle Anforderungen wie Durchsatz, infrastrukturelle Gegebenheiten und so weiter. Erst wenn wir ein umfassendes Bild von der Situation haben, können wir eine klare Empfehlung geben. Und ja, diese Empfehlung kann dann auch lauten: „Für Ihren spezifischen Fall ist es besser, die Prozesse wie folgt neu aufzustellen und manuell abzuwickeln.“ Nochmal: Am Ende des Tages zählt, dass das Kundenunternehmen eine gewinnbringende Lösung für sein spezifisches Problem erhält.

Nehmen wir an, Sie empfehlen einem Unternehmen den Einstieg in die Automatisierung. Welche weiteren Faktoren entscheiden über den Erfolg solcher Projekte?

Tilman Basten: Neben den eben angesprochenen Themen spielt das Team, dass heißt die involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Kundenunternehmen, die zweite große Hauptrolle. Alle Beteiligten sollten so früh wie möglich ins Boot geholt werden – das kann ich gar nicht genug betonen. Binden Sie zum Beispiel die Verantwortlichen für die Arbeitssicherheit ein, aber besonders die Personen, die um das automatisierte Gerät herum arbeiten werden und/oder weitere relevante Personenkreise. Holen Sie möglichst alle bereits zum Projektstart an einen Tisch, erläutern Sie das Weshalb und Warum und vermitteln Sie klar, was auf die Menschen zukommen wird. So sorgen Sie dafür, dass die Leute die automatisierten Geräte nicht als Konkurrenz wahrnehmen und um den Fortbestand ihrer Arbeitsplätze fürchten, sondern als Ergänzung und Arbeitserleichterung begreifen. Selbstverständlich bieten wir Unternehmen bei der Einbindung der Belegschaft auch tatkräftige Unterstützung an, zum Beispiel in Form von Schulungen oder anderen begleitenden Maßnahmen.

Herr Basten, eine abschließende Frage: Zu welcher Vorgehensweise raten Sie Unternehmen, die jetzt in die Automatisierung einsteigen möchten?

Tilman Basten: Wahrscheinlich haben Sie jetzt eine längere Antwort vermutet – aber eigentlich ist es ganz einfach: Der beste Startpunkt ist ein persönliches Gespräch mit unseren Automatisierungsprofis. Bei einem unverbindlichen Termin lassen sich bereits viele zentrale Aspekte klären. Darauf aufbauend kann man zielgerichtet und individuell in die weitere Lösungsfindung gehen.

Tilman Basten, Head of Solution Management bei Linde MH, steht in einer Logistikhalle neben dem neuen automatisierten Hochhubwagen Linde L-MATIC C.

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Mehr Informationen zur Automatisierung von Logistikprozessen finden Sie auf der Webseite von Linde MH.

Veröffentlicht am 17.09.2024